Als ich (vor ca. hundert Jahren) ein Teenager war, fielen
mir – speziell bei meiner Mutti- so manche Sachen auf, die ich damals
belächelte oder nur mit einem Augenrollen kommentierte. Seien es Dinge die sie tat,
Floskeln die sie benutzte, oder Angewohnheiten, die sie hatte. Manche „Schrulligkeiten“
von ihr, wurden gar zum Running-Gag zwischen mir und meinen Geschwistern.
Um nur ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern, sei
hier festgehalten, dass sie zum Beispiel am allerliebsten an einem Samstagmorgen,
wenn unsere Lieblings-Kindersendungen im TV liefen, mit Lockenwicklern im Haar mit
dem lautesten Staubsauger der Welt durchs Wohnzimmer jagte. Da das TV-Gerät
mitten im Raum –ergo mitten im Weg- platziert war, durften wir das gesamte
Putzmanöver über ihren Hintern bewundern. Auch die Zurufe meines Bruders „Mutti,
das Büld is Orsch!“, (zu Deutsch „Mutti, wir können leider an deinem Hintern
nicht vorbeischauen, und sehen den Bildschirm nicht“) hinderten Sie nicht an
ihrem Eifer.
Als ich älter wurde und begonnen habe mit meinen
Freundinnen um die Häuser zu ziehen, veränderte sich auch mein Kleidungsstil.
Von Basicshirt, Jeanshose und Turnschuhe, folgte ein fliegender Wechsel zu
Spaghettitop, Minirock und Stöckelschuhen. Das durfte keinen Samstagabend
unbemerkt bleiben und meine unpopulärste Floskel von ihr folgte meinem Schuhgeklappere
auf dem Fuße „Kind, wenn ich dich bloß anschaue, wird mir kalt!“ (Anm. sie
wusste einfach nicht, wie „cool“ ich tatsächlich war, haha)
Aber das schlimmste – vor allem für mich und meine
Schwester – war es, sich im Winter von ihr ankleiden zu lassen. Wenn ihr nämlich
„so kalt war, dass sie uns nicht mal ansehen konnte“, neigte sie dazu, grässliche,
statisch aufgeladene Strumpfhosen aus dem Kleiderschrank zu ziehen, um sie uns
feste über den Nabel bis unter die Brust hochzuziehen, damit uns auch ja nicht
kalt wurde. Dies versuchte ich ihr die längste Zeit meines auszureden. Aber willensstark
wie meine Mutti nun mal ist, war ihr das schlicht und ergreifend egal.
Ein paar Jährchen und drei Kinder später, hetze ich samstagmorgens
staubsaugend mitten ins TV-Bild quer durch das Wohnzimmer. Die Jogginghose
raufgezogen bis knapp unter die Brust, brülle ich über den Lärm des
Staubsaugers hinweg meinem Tochterkind entgegen, es solle seine Strümpfe
hochziehen, denn „Wenn ich dich bloß anschaue, wird mir kalt!“. Die nassen Haare
stehen mir bereits zu Berge, da ich die Lockenwickler nicht finde. Mein
Spiegelbild starrt mir schockiert aus dem Bildschirm entgegen, während Sohnemann
in meine Richtung blökt „Mutti, das Büld is Orsch!“.